GENESIS: Ein Erftländer blickt zurück

Erste Begegnung mit Trompes de Chasse

Im September 1954 fand in Düsseldorf die erste Internationale Jagdausstellung nach dem 2. Weltkrieg statt.
Neben den trophäenträchtigen Ländern, wie Ungarn, Jugoslawien und anderen hatte auch Frankreich eine Halle, in der zur Verwunderung des Besuchers wenig beeindruckende Trophäen gezeigt wurden. Wenn man aber länger in dieser Halle verweilte, wurde man mit einem ungewöhnlichen Erlebnis entschädigt: Zu jeder vollen Stunde traten aus einem geschlossenen Pavillon 6 rot berockte Herren heraus, in Reitstiefeln, mit Reitkappe und auffallend langen Hirschfängern am Gürtel, und mit großen, blanken, aber im Trichter schwarzen Hörnern in der Hand, stellten sich in V-Form auf und begannen zu blasen. Einige hatten dabei hochrote Köpfe, andere hielten spielerisch ihr Horn mit zwei Fingern. Und was sie da bliesen, hatten die Besucher noch nie gehört: Das war Jagdmusik, die dem Zuhörer Schauern über den Rücken trieb. Mal klang es im wilden Fortissimo wie der sich überschlagende Hetzlaut einer jagenden Hundemeute oder im Solo der harsche Befehl des Jagdleiters, -  und immer der Rhythmus galoppierender Pferde -, mal klangen Glocken und mal kam im vibrierenden Piano der Hörner leise Trauer und Wehmut durch: „Les Pleurs du Cerf “- „Die Tränen des Hirsches“! - Wirkungsvoller konnte in dieser Halle die Präsentation der „Vénérie Francaise“ nicht sein, die bis heute die Hetzjagd zu Pferde, hinter der Meute, auf einzelne Stücke Schalenwild ausübt. Die Faszination, die von diesem Hörnerklang ausging, veranlasste viele Besucher, immer wieder hierher zu kommen. Dem konnte man sich, zumal als Bläser, einfach nicht entziehen. - Erst viel später, weil nirgends angekündigt, erfuhr man, daß die rotberockten Magier, quasi als krönenden Abschluß der Ausstellung, in der barocken St.Andreas-Kirche in der Altstadt eine „Hubertus-Messe“, was auch immer man sich damals darunter vorstellen mochte, geblasen hätten, aber nur vor handverlesenem Publikum.
Mit unseren Pleßhörnern waren wir Deutschen zu derart ausdrucks-
starker, melodien- und facettenreicher Jagdmusik nicht in der Lage. Also machte man sich auf die Suche nach solchen Hörnern, die es aber nirgends in Deutschland gab, und die auch damals kein hiesiger Instrumentenbauer kannte.
 
Inspiration 
Im Oktober 1960 feierte der Deutsche Falkenorden in Xanten am Niederrhein sein 25jähriges Bestehen. Zu diesem Anlaß hatte man den von der Jagdausstellung her bekannten Präsidenten der „Vénérie Francaise“, Marquis de Vibraye, mit seinen rotberockten „Sonneurs“ eingeladen, um für die musikalische Begleitung der Beizjagden und Schauflüge zu sorgen und vor allem, was das Besondere war, mit ihren von Düsseldorf her schon bekannten, in D-Dur gestimmten, barocken Naturhörnern, Trompes de Chasse genannt, auch den Abschlussgottesdienst zu gestalten.
Am Sonntag, dem 23. Oktober 1960, wurde im noch teilweise bombenbeschädigten Xantener Dom, zum ersten Mal vor deutscher Öffentlichkeit, die mit diesen Jagdhörnern musikalisch gestaltete Hubertus-Messe gefeiert. Der Dom war zu diesem Anlaß durch baumhohe, herbstbunte Brüche an den Säulen in einen Wald verwandelt worden. Vor dem Altar hatte man rotbraune Wilddecken ausgebreitet, auf denen ein kapitales Hirschgeweih ruhte. Davor lagen über Kreuz Saufeder und Flinte, sowie Falknertasche, Federspiel und Falknerhandschuh. Hinter der Kommunionbank standen Falkner mit ihren Greifen auf der Faust und Hundeführer mit ihren Hunden an der Leine, und vor dem Hochaltar, mit dem Rücken zum Volk, sodaß man in die schwarzen Trichter ihrer Hörner schauen konnte, hatten die „Sonneurs“ in ihren traditionellen, langen, roten Reitröcken, in V-Form Aufstellung genommen. Als Probst Wormland zum Stufengebet an den Altar trat, hoben die Bläser an mit ihrem „Introitus“, und der faszinierende Klang ihrer Hörner erfüllte den Dom, mal machtvoll mitreißend und jagdlich wild, mal sanft und inbrünstig flehend, ganz in Übereinstimmung mit der Liturgie. Das schlug die zahllosen Zuhörer in ihren Bann. Manchem trieb es einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Und Probst Wormland hielt die passende Predigt dazu ! - Nachdem am Ende das „Sortie de Messe“ aus den Hörnern verklungen war, verliessen die Leute schweigend und tief beeindruckt den Dom.  Draussen bauten sich die Sonneurs noch einmal auf, um zum Abschied  noch einige, temperamentvoll-schmissige Fanfaren zum Besten zu geben. –So etwas hatte man in Deutschland noch nicht erlebt. Die Presse war damals voll davon.
Initiation 
Einige Pleßhornbläser aus dem Jagdhornbläsercorps Neuss-Greven-broich, die diesen Gottesdienst miterlebt und Tonbandaufnahmen von der ganzen Messe gemacht hatten, ergriffen vor dem Dom die Gelegenheit, Kontakt mit den Franzosen aufzunehmen, und es kam spontan zu einem freundschaftlich-herzlichen Austausch. Der anschließende, gemeinsame Bläserfrühschoppen mit den Franzosen mündete schließlich darin, daß Marquis de Vibraye den deutschen Bläsern das Mitgliedsabzeichen der FTF (Fédération des Trompes de France) ansteckte und sie auf sein Schloß Cheverny an die Loire einlud.   
 

Diese freundschaftliche Begegnung gab uns Deutschen unwillkürlich den Anstoß, dieses hier völlig unbekannte, ehrwürdige, französische Brauchtum aufzugreifen und weiterzutragen. - Das war es doch, wonach wir im Stillen schon lange gesucht hatten ! - Gleichzeitig bot sich auch noch die Möglichkeit, die begehrten, barocken, in D gestimmten Hörner ab Hersteller, direkt aus Frankreich, zu beziehen.
Mit 2 „Trompes“ fing man 1961 an, ohne Anleitung, in altgewohnter, deutscher Blastechnik die Stücke vom Tonband einzuüben, und allein schon der exotische Klang dieser 2 Hörner beeindruckte so, dass sich Anfang 1962 die meisten Pleßhornbläser des Corps auch für die „Trompe de Chasse“ entschieden hatten.
Bis April waren 7 weitere Trompes geliefert, und es begann die langwierige, mühevolle, tägliche Arbeit, diesen empfindlichen Hörnern, mit einem Gewicht von nur 800 Gramm, nach und nach annähernd die Klänge zu entlocken, wie wir sie im Xantener Dom gehört hatten, zunächst alles autodidaktisch, versteht sich.
Dann stieß Gründungsvater Werner Hölter (links im Bild) auf den Notensatz von J.Cantin, und man konnte endlich anfangen, die "Messe Solenelle de Saint Hubert" notengerecht einzustudieren. Bald stellte sich auch heraus, daß man die Arbeit mit den Trompes de Chasse von den  Pleßhörnern trennen musste, ohne jedoch diese zu vernachlässigen. So kam es am 16. April 1962  zur feierlichen Gründung der Parforcehorngruppe Erftland,  die als Trompes de Chasse Erftland  bis heute besteht. Das Zwölfer Hirschgeweih mit dem Hubertuskreuz zwischen den Stangen und einer darüber gehängten Trompe, das zunächst nur als Wandschmuck diente, wurde als Logo übernommen und später auch für Erftland geschützt.




Im September 1962, auf dem Bundeswettstreit für Jagdhornbläser in Kranichstein/Hessen, stellte die Parforcehorngruppe Erftland mit 3 Stücken aus der Hubertus-Messe von Cantin, die barocken, französischen D-Hörner einem verwunderten Publikum vor.

Zwei Wochen später fand die groß angekündigte Wallfahrt deutscher Jäger zum Grabe des Hl. Hubertus nach Saint Hubert in den Ardennen statt. Die Erftländer waren dabei und durften in der Basilika des Schutzpatrons im Wechsel mit den belgischen Sonneurs der „Royal Foret de Saint Hubert“ ihre Teile der „Grande Messe de Saint Hubert“ blasen, ein unvergessliches Erlebnis, das langjährige, fruchtbare, z.T. bis heute bestehende Freundschaften zu den  belgischen Sonneurs begründete.


Nach einem mehr als Generalprobe zu sehenden  Feldgottesdienst für die Reiter des Kreises Grevenbroich, im Juni 1963 in Kempenich/Eifel, fand in der Morgenfrühe des Hubertustages, des 3. November 1963, in der überfüllten Basilika zu Prüm in der Eifel die eigentliche deutsche Premiere statt: eine stilgerecht nach dem Vorbild von Xanten ausgerichtete Hubertus-Messe: Die 10 Erftländer intonierten auf ihren „Trompes de Chasse“ ihre erste, vollständige „Messe Solenelle de Saint Hubert“  und erhielten großen Beifall.  Dieser Erfolg zog weitere nach sich.
Ausbau

In den folgenden Jahren wurden von der Gruppe Erftland erste Hubertus-Messen u.a. im Kaiserdom zu Aachen, im Kurfürstlichen Schloß zu Mainz, in der Stiftskirche Berchtesgaden, auf dem Jagdschloß Spangenberg und dem Jagdschloß Moosham im Lungau/Österreich, in der St.Kastor-Basilika in Koblenz,  im Bonner Münster und im Quirinus-Münster in Neuss, in der St. Severus-Basilika Boppard, in den Klosterbasiliken Knechtsteden, Maria Laach und Himmerod, und in vielen anderen Kirchen und Klöstern gestaltet, denen meist auch weitere folgten. Sowohl das Repertoire (Es gibt fast 1 Dutzend verschiedener Messen für „Trompes“ !) als auch die Zahl der Auftritte und Zuhörer nahmen stetig zu. So nannte man die Gruppe bald:  DEUTSCHES HUBERTUS-CORPS.
  
               1. Hubertus-Messe für die  KJS Warburg 1966 in Körbecke                 
  

In der Stiftskirche Berchtesgaden 1969


Im Bonner Münster 1971
        1. Hubertus-Messe in der Basilika Knechtsteden 1971

 Schloß Moosham/Lungau 1973
                                                                        
Die Vorarbeit und der Erfolg der Parforcehorngruppe Erftland, sowie einige Publikationen über die Hubertusmesse, weckten schließlich auch bei anderen deutschen Jagdhornbläsern das Bedürfnis, dieses Brauchtum zu übernehmen. Durch die Vermittlung von „Erftländern“ lieferte der französische Hersteller bis 1966 schon  mehr als 150 „Trompes“ an deutsche Bläser aus. Ihr Verbleib liegt heute im Dunklen.
Dann kamen findige Musiker auf den Gedanken, dass man den Notensatz von Cantin nur etwas umzuschreiben braucht, um die  "Messe Solenelle de Saint Hubert“ auch mit den leichter zu blasenden Es-Hörnern oder Ventil- und Waldhörnern aufführen zu können. Diesen einfacheren Weg suchten viele deutsche Jagdhornbläser, oft ohne zu wissen, dass es etwas anderes gab. So entstanden im Laufe der Zeit vielerorts Bläsergruppen, die sich mit Hubertusmessen verschiedenster Art und Herkunft befassen. Selbst in Schützenvereinen gibt es inzwischen Blaskapellen, die eine Hubertusmesse vortragen.

Die Erftländer ließen sich jedoch nicht beirren und bliesen weiterhin mit viel Freude original „Trompe de Chasse“, das barocke, französische  D-Horn, dessen Entwicklung auf das Jahr 1725 zurückgeht. -  Bis Ende 1973 wurden von den Erftländern schon 25 Hubertus-Messen mit Erfolg gestaltet.

Im April 1974 begann Peter Kötz aus Stuttgart auf Betreiben der FITF („Fédération Internationale des Trompes de France“) die an der „Trompe“ interessierten deutschen Bläser in einer „Section Allemande“ zu sammeln. Die Erftländer waren in Kranichstein bei der Gründung der Section dabei. Von nun an traf man sich laufend auf Lehrgängen in Frankreich und Belgien, konnte  neue, fruchtbare Kontakte knüpfen und  einen regen Erfahrungsaustausch pflegen. Die Mitgliedschaft in der FITF bot nun jedem Bläser die Möglich- keit, auch im Einzelunterricht, bei internationalen Spitzenbläsern seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern. Neue Blas- und Atemtechniken wurden einstudiert und laufend verbessert, z.T. auch die französische Bläserprüfung BSC („Brevèt du Sonneur classé“) abgelegt, um anschließend  an internationalen Concours teilnehmen zu können. Es erschloß sich zudem ein unerschöpflicher Quell alter wie neuer Fanfaren und Konzertstücke, die den Bläser ständig und zunehmend motivieren, weiter an sich zu arbeiten, zu lernen und den Klang der Trompe zu vervollkommnen. So entwickelt sich eine Passion, die, wie die Jagd, ein Leben lang anhält und vor allem in der Gruppe, immer neu Freude bereitet, die unweigerlich auch auf die Zuhörer überspringt. Die zunehmende Zahl an Messen, Konzertauftritten und Schleppjagdbegleitungen zeugen wohl davon.

Im Oktober 1977 wagten es die Erftländer ihre erste Schallplatte herauszubringen: "BAROCKE HÖRNERKLÄNGE IN DOM UND AU", mit einer von Orgel begleiteten Hubertus-Messe und einem Konzert „Jagdfest im Walde“. Sie war nach kurzer Zeit vergriffen,  ist aber heute als CD, erweitert um viele andere Stücke aus dem Erftländer-Tonarchiv, wieder zu haben. Auch einige andere Tonträger mit Messen, Konzert- und Jagdstücken, (alles Live !) sind verfügbar.

Schallplattenverkauf 1978


Im Laufe der 50 Jahre seit Gründung der Parforcehorngruppe Erftland  wurden mehr als 200 Gottesdienste für Jäger, Reiter und sonstige Zuhörer gestaltet, ohne die Jagdbegleitungen und konzertanten Auftritte: eine Lebendige Jagdkultur, die stetig neue Freunde findet.   (Siehe Erftländer Bilderbogen !)

Aber es kamen und gingen in dieser Zeit auch mehr als 50 Bläser, die mehr oder weniger lange mitwirkten, wobei viele schon nach kurzer Zeit wieder aufgaben. (Man nennt dies allgemein wohl "Fluktuation"!)  Doch über alle personellen Höhen und Tiefen hinweg wuchs im Laufe der Jahre durch konsequentes, persönliches, auch von geeigneten Moniteuren aus Frankreich und Belgien begleitetes Üben und Training einerseits, und regelmäßige, wöchentliche Gruppenarbeit andererseits, ein Klangkörper heran, aus 10 gut aufeinander eingespielten, gut ausgebildeten und erfahrenen Bläserinnen und Bläsern, deutschen „Sonneurs“, (alles Amateure, keine Berufsmusiker !), die mit viel Freude, Engagement und Corpsgeist bei der Sache sind und inzwischen einen unverkennbar eigenen Stil entwickelt haben. 




So war es für uns alle eine besondere Freude, am 7. Oktober 2010, 50 Jahre nach der "Initialzündung", an den Ursprungsort unserer Passion, in den Xantener Dom zurückzukehren, um mit unseren „Trompes de Chasse“ eine „Grande Messe de Saint Hubert“ zu feiern , als Dank für die vielen, erfolgreichen Jahre, zum Lobe des Schöpfers, zur Ehre unseres Schutzpatrons Hubertus und zur Erbauung aller Gottesdienstbesucher. - Und schließlich war es ein besonders bewegendes Erlebnis, zu spüren, daß die zahlreichen Zuhörer genauso ergriffen den überfüllten Dom verließen wie damals,  am 23. Oktober 1960.
Xanten 2010

Seidem sind noch etliche weitere Hubertus-Messen gestaltet worden, und im April 2012 rückt nun der 50. Jahrestag der Gründung der Parforcehorngruppe Trompes de Chasse Erftland heran, der am 29.04.2012 um 10 Uhr 30 mit einer feierlichen Messe de Saint Hubert  in der Klosterbasilika Knechtsteden bei Dormagen und mit einem nachmittäglichen Konzert im Kreuzgang des Klosters begangen werden soll. Wir freuen uns auf viele Freunde und Zuhörer.

Vive Les Trompes de Chasse Erftland ! 
                                                                                                 Fritz Bayer